präsentische Demokratie?

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Isabell Lorey (Mitte) im Centro Sociale, 14.1. 2014

Ich war auf einem Vortrag von Isabell Lorey im Centro Sociale (eh. Schlachthofgelände), die mir durch einen Aufsatz zur Situation der Kulturproduzentinnen in Erinnerung geblieben ist.

Thema: Soziale Bewegungen und konstituierende Prozesse der Veränderung.

Was bedeutet es, in Zeiten von Finanz- und Demokratiekrisen neue Formen der sozialen Reproduktion und der Solidarität – kurz: neue Formen von Demokratie zu erfinden, wie es in Griechenland oder Spanien geschieht?

Ich muss gestehen, dass mir unklar geblieben ist, was Lorey genau unter „präsentische Demokratie“ als Alternative versteht.

Im Netz finden sich zwei Artikel, die vielleicht Abhilfe verschaffen:

http://www.linksnet.de/de/artikel/27401

http://eipcp.net/transversal/1011/lorey/en

Zur Lektüre empfohlen.

Interpretationsversuch

Auf Linksnet findet sich folgende Beschreibung:

Die Besetzungsbewegungen bedeuten einen Exodus aus den beiden vorgegebenen Alternativen zwischen direkter und repräsentativer Demokratie, weil sie nicht-juridisch agieren und Demokratie präsentisch praktizieren. Das ist nichts weniger als ein Bruch mit der bestehenden Ordnung der‚ westlichen Demokratie. Der Exodus manifestiert sich auf dem zentralen öffentlichen Platz, in der Versammlung der Beliebigen und in dem Praktizieren neuer Lebensformen.

Worin denn genau die präsentische Praxis oder die Praxis einer „neuen Lebensform“ besteht, wird leider nicht erklärt.

In ihrem Vortrag hat Isabell Lorey drei Hinweise gegeben: (1) In Athen haben Menschen ihre eigene Gesundheitsversorgung organsiert. (2) Sie gehen nicht mehr im Supermarkt einkaufen, sondern bilden eigene Versorgungswege, um „teuere Zwischenhändler“ auszuschalten.

(3) In Spanien versammeln sich Menschen (teils über das Internet vermittelt) vor den Wohnungen derer, die von Zwangsräumung (infolge gestiegener Zinsen) bedroht sind und verhindern so die Räumung.

Scheint mir der erste Punkt (Gesundheitsversorgung) noch akzeptabel, kommt mir der zweite schon bedenklich vor. Wer weiss denn, ob die Zwischenhändler nicht auch Opfer der Krise sind?

Richtig schwierig wird der dritte Punkt. Hier wird in geltendes Recht eingegriffen. Eigentlich sollten Zwangsräumungen von Gerichten angeordnet und überprüft werden. Wer sich dagegen wehrt, sollte erklären können, wie er/sie verbindliche Normen schafft und durchsetzt. Sonst landen wir am Ende beim Faustrechht.

Auch der Artikel auf Eipcp verschafft keine weiteren Einsichten in das Wesen der präsentischen Demokratie. Es bleibt bei allgemeinen Hinweisen auf die Bestimmung von Redebeiträgen durch das Los, sowie dem beiläufigen Campieren auf öffentlichen Plätzen und der damit verbundenen Infrastruktur.

Präsentische Demokratie muss also eine schwierige Sache sein. Repräsentative oder direkte Demokratie könnte ich in den Grundzügen in zwei drei Sätzen erklären.

  

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