Bunkerschau

Ausstellung im Bunker Friedensallee 54 ---- bunker-ausstellung-1190122-co-05-07-14

6. Stock mit Audioinstallation von KROKO

Zur Altonale fand eine bemerkenswerte Ausstellung in einem Bunker in der Friedensalle 54 statt. Erbaut 1942, in den 1980er Jahre noch zum Schutzraum gegen atomare Angriffe aufgerüstet, war dies ein bedrückender Ort.

Im 2. Weltkrieg hatten die Menschen dort für vielleicht eine Nacht Zuflucht gefunden; im Falle eines Atomkriegs wäre das ihr Aufenthaltsort für unbestimmte Zeit geworden. Man kann es sich nicht recht vorstellen, ob es Tage, Wochen oder Monate gedauert hätte, bis sie wieder ins Freie hätten treten dürfen. Und was hätte dieses „Freie“ dann überhaupt noch bedeutet?

Dies waren jedenfalls die Gedanken, die mir beim Erkunden der Ausstellung unweigerlich durch den Kopf gingen. Betrat ich nicht letztlich einen Sarkophag der Zukunft, in dem die Kunstwerke Grabbeigaben gleichkamen?

Wie immer an Orten, die einen starken Eigencharakter aufweisen (siehe Bremen), hat es die Kunst schwer gegen die Umgebung anzukommen. Manche Künstler haben auf den Bunker explizit reagiert, andere nicht.

Überzeugend war das von KROKO (Jutta Konjer/Manfred Kroboth) gelöst. Der leere 6. Stock wurde nur von einer Audioinstallation bespielt, die die claustrophobische und beinahe paranoide Grundstimmung der Umgebung bestens aufnahm und verstärkte. Vielleicht hätte es noch ein wenig drastischer sein können, aber in der ohnehin sensorischen Deprivation des Schutzraums entsprach die Klangcollage dem Eindringen des als bedrohlich empfundenen Außenraums. Ruhe bewahren!

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Erdgeschoss, Pflanzen im Hintergrund

Die besondere Abgrenzung von Innen- und Außenraum, wie sie durch den Bunker (1.10m Wandstärke!) hergestellt wird, war auch Thema der „Bunkergewächse“ von Christiane Cramer. 65 Pflanzen im Eingangsbereich situiert, quasi als Versuchsobjekte für die besondere Lebensfeindlichkeit eines Ortes, der sich schönredend Schutzraum nennt.

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Bunkeratmosphäre. Zentrale Belüftungsanlage

Ich hätte mir noch 2 Arbeiten gewünscht. Eine, die die besondere Zeiterfahrung der im Falle eines Atomkriegs Eingeschlossenen deutlich gemacht hätte. Etwa in der Darstellung von Halbwertszeiten bestimmter Isotope (Cäsium-137 30 Jahre, Radium-226 1.600 Jahre, Uran-238 700 Mio. Jahre) gegenüber der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Menschen.

Oder einen Selbstversuch. Sich während der Ausstellung, die „nur“ 10 Tage dauerte, komplett von der Außenwelt abgeschirmt im Bunker aufhalten. Wie Körperpflege betreiben? Es gibt keine Duschen. Was essen? Es gibt keine Küche. Wovon sich unterhalten? Keine Nachricht dringt von aussen. Wohin sich zurückziehen, wenn man sich schon im Rückzug befindet?

Diese und andere Gedanken konnte ich erfreulicherweise mit 3 Gleichgesinnten austauschen, mit denen ich die Ausstellung besucht hatte und anschliessend, nur vor einem Sommergewitter Schutz suchend, vertiefen. Und davon gerne mehr.

Ein Hochbunker, Baujahr 1942. Sieben Stockwerke, Wandstärke: 1,10 Meter, zwei Sicherheitsschleusen mit gasdichten Stahltüren. Gesamtfassungsvermögen: 1.560 Personen. Aufgerüstet in den Achtzigern zum ABC-Schutzraum gegen atomare, biologische und chemische Kampfstoffe. Ab Herbst 2014 wird umgeplant in zukünftigen Wohnraum. Zur altonale-16 werden ihn sechzehn Hamburger KünsterInnen für unterschiedliche Interventionen nutzen und zehn Tage der Öffentlichkeit zugänglich machen. Teilnehmende KünstlerInnen: Antje Bromma, Doris Cordes-Vollert, Christiane Cramer, Harald Finke, Ole H. Hagen, Sigrun Jakubaschke, HMJokinen, Ralf Jurszo, Katharina Kohl, KROKO Jutta Konjer/ Manfred Kroboth, Tonia Kudrass, Sabine Mohr, DG Reiß, Thomas Stordel, Ulrike Bartusch sowie Frank Khalsa.

Eröffnung: 27. Juni 17 Uhr, Ausstellung 28. Juni bis 6. Juli, Mi bis Fr 17 bis 19 Uhr, Sa und So 15 bis 19 Uhr; Hochbunker Friedensallee 54a, Hinterhof

http://kunstprojekte.info

  

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