Kunsterklärungsversuch

Was ich an den KollegInnen vom Blog Perisphere so schätze, ist ihre Neigung sich relevanten Fragen zu widmen.

So hat kürzlich Katrin Herzner versucht, Kunst aus ihrer Sicht zu erklären. Ausgangspunkt war die Frage eines Lesers, warum manche Kunstwerke in der Öffentlichkeit Beachtung fänden, manche aber nicht.

Zentraler Kern ihrer Argumentation scheint mir die folgende Grafik zu sein:

Relation Kunst, Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb

Grafik aus dem Beitrag von Katrin Herzner Wie alles wirklich funktioniert: große Kunst

Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Kunst. Die Kunst umfasst viel mehr als Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb. Man muß es nur bemerken.

Mein Kontra

Dagegen habe ich in einem Kommentar vorläufig argumentiert:

Liebe Katrin,

ich zolle Dir meinen Respekt für die Leistung Kunst erklären zu wollen. Du hast Dich kurz gefasst.

Wenn ich Deine Argumentation nachvollziehen kann, so verläuft sie in etwas so:

Da draussen, quasi in freier Wildbahn, gibt es jede Menge Kunst (so eine Art Dark Matter). Jede/r, der den Mut hätte, seine eigenen Sinne und Verstand zu gebrauchen, könnte sie bemerken und wertschätzen. Ohne weitere Vermittlung.

Nun neigen die Menschen aus Angst oder Faulheit dazu sich Krücken, Orientierungshilfen nennst Du sie, zurechtzulegen, um nicht mit ihrer eigenen Meinung alleine zu stehen. Ausstellungsbetrieb und Kunstmarkt tun ihr übriges dazu, die Auswahl einzuschränken und aufgrund ihrer Kriterien einen riesigen Bestand an Kunst auszublenden.

So plausibel das klingt, ich habe doch meine Bedenken.

Ich glaube nicht, dass Kunst “da draussen”, quasi a priori, einfach so exisiert. Vielmehr wird Kunst immer schon und vorab unter der Prämisse gemacht, dass sie im Kunstbetrieb erscheinen könnte.

Peter Weibel sagt daher: “Wer Kunst macht, will auch Kunstgeschichte schreiben.”

Kunstbetrieb (ob Ausstellung oder Handel) ist dem individuellen Schaffen nicht nachgeordnet, sondern soweit mit ihm verwoben, in es hineinreichend, dass eine Trennung kaum möglich ist. Auch Kunst, die es nie in den Ausstellungsbetrieb oder den Kunsthandel schafft, hat seine Prinzipien verinnerlicht und auf ihn ausgerichtet. Genau darin liegt auch ihre Tragik. Es gibt einige Ausnahmen, aber sie sind sonderlich rar.

Moderne Kunst entsteht mit dem Moment, mit dem sie sich entschliesst, der Logik der Sammlung und damit des Museums (von dem Du gar nicht redest) zu entsprechen. Und infolge kann nur der Kunst entdecken, der den musealen Blick akzeptiert. Darüber hinaus gibt es keine (oder kaum) Kunst.

Soweit mein Verständnis der Dinge.

Herzliche Grüße
Stefan

Daher müsste nach meiner Argumentation die Grafik von Katrin Herzner eigentlich so aussehen:

Relation Kunst, Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb aus meiner Sicht

Relation Kunst, Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb aus meiner Sicht.

Kunstmarkt und Ausstellungsbetrieb sind Linsen, die dem Betrachter erst den Blick auf die Kunst ermöglichen, die sich infolge weitgehend auf eben diese Beobachtungsbedingungen ausrichtet. Nur an den extremen Randbereichen sind abweichende Wahrnehmungen möglich.

  

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