Hin und wieder wird aus einer Rede des kürzlich verstorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker folgendes zitiert:
Kultur kostet Geld. Sie kostet Geld vor allem auch deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf.
Vor ein paar Jahren, eben hier in Berlin, habe ich bei einer Ansprache vor dem Deutschen Bühnenverein ausgeführt, dass Kultur nicht etwas sein darf, was die öffentlichen Hände nach Belieben betreiben oder auch lassen dürfen. Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Haushalte zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich zumeist „Subventionen“ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in die falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert. (Quelle)
Das ist sehr schön gesagt. Allerdings liegt das Problem darin, dass niemand so genau weiss, was Kunst ist.
Deshalb wird halt gerne (noch) der Unterhalt von Gebäuden (Theater, Museen) und die damit verbundenen Arbeitsplätze (am Besten noch mit gewerkschaftlichem Rückhalt) finanziert, aber die eigentliche künstlerische Arbeit so gut wie gar nicht.
Eine Frage der Definition
Ein Bahnhof oder ein Spielplatz ist halt recht einfach zu definieren, Kunst dagegen will sich aus Prinzip nicht definieren (lassen).
Eine Lösung könnte nur darin liegen, Kunst stärker einzugrenzen und zu reglementieren.
In der bürgerlichen Ökonomie werden nur die Arbeiten allgemein angemessen bezahlt, deren Ausübung die Überwindung von Zugangsschranken erfordert.
Da Kunst aus dem ihr inhärenten und gleichwohl kontingenten Autonomiegedanken allen offen stehen muss und möchte, ist eine gefällige Bezahlung nach bürgerlichen Maßstäben kaum möglich. Wenn niemand kontrollieren kann oder will, wer ein Künstler ist, wäre es aus Gründen der Gerechtigkeit nicht vertretbar, jedem, der sich Künstler nennt 5.000 Euro im Monat zu bezahlen.
Kunst und Künstler könnten nur dann ein Einkommen oberhalb der Armutsgrenze erzielen, wenn sie sich in Teilen von ihrer Autonomie verabschiedeten. Arbeiten von Lingner, und insbesondere Abbing deuten in diese Richtung.
Hallo Stefan,
ich frage hier und auch auf meiner facebook-Seite, auf der Du das netterweise geteilt hast: ist der Preis nicht zu hoch? Bzw. umgekehrt gefragt: ändert sich dann „Kunst“ nicht in etwas, das nicht mehr wünschenswert wäre, was sie ZU gemein machen würde mit allen ohnehin schon unfreien und kommerzialisierten Dingen dieser Welt? Liegt nicht auch und vielleicht gerade ihr „Alleinstellungsmerkmal“ in den Dingen, die eine faire Bezahlung so schwer machen?
Viele Grüße,
Sabine
Hallo Sabine,
das ist eine sehr berechtigte Frage, die ich versuchen möchte, zu beantworten.
Ich denke, im Bauplan der gegenwärtigen Kunst deutet nichts darauf hin, dass sie auch zwingend bezahlt werden müsste.
Daher möchte ich folgendes Gedankenexperiment versuchen:
Angenommen, die Kunst wäre komplett kostenlos. Die Theater, Museen und Konzerthäuser dürften keinen Eintritt nehmen und ihr Personal nicht bezahlen. Alle Kunstwerke und Darbietungen müssten umstandslos in den Bereich der Public Domain überführt werden. Copyright fiele weg.
Dann wäre die Sache klar und jeder wüsste, woran er ist, wenn er Kunst machen will.
Nun wissen wir, dass es ganz anders läuft. In Kunst und Kultur wird manches bezahlt, anderes aber nicht. Einige Künstler verdienen mit ihrer Kunst Millionen, werden mit Preisen und Privilegien überhäuft, während andere arm und unbeachtet bleiben. Eine Regel dafür gibt es nicht.
Dieser Zustand ist unhaltbar, denn sehr wahrscheinlich komplett ungerecht. Richard von Weizsäcker wollte in seiner Rede nahelegen, der Staat müsste eben mehr Geld in die Kultur investieren. Mein Einwand war, dass wir leider nicht wissen, woran wir die Verteilung festmachen können.
Und damit beisst sich die Katze in den Schwanz.
… meine Antwort steht gleich erst einmal auf: facebook: Sabine Pint: Kunst ist für die Menschen
Bis dahin erst mal!
Du fragst auf Facebook: in welche Richtung sich das „Modell“ oder „System“ Kunst verändern könnte oder sollte, damit es u. a. transparenter und gerechter zuginge…
Nun, in aller Kürze: meine Untersuchungen und Erwägungen gehen in die Richtung, dass das Gros der Kulturschaffenden wirtschaftlicher denken und handeln sollte. Wenn der Erfolg dabei ausbleibt, sollten sie ohne Scham etwas anderes machen.
Das würde automatisch zu mehr Transparenz führen, denn momentan wird wirtschaftliches Handeln in der Kultur eher verschleiert.
Hallo Sabine,
auf FB schreibst Du:
Nein, niemand muss „Erfolg“ ausschließlich wirtschaftlich definieren. Wie ich schon dazu an anderer Stelle schrieb, gibt es durchaus Spielräume. Ein Arzt, ein Handwerker, ein Händler kann seine Leistungen auch frei von direkten wirtschaftlichen Erwägungen anbieten.
Der Unterschied zur Kunst besteht darin, dass sie das in der Regel sporadisch tun, während in der Kunst die Regel durchweg darin zu bestehen scheint, immer und nahezu ausnahmslos wirtschaftsfremd zu agieren.
Ich denke, man muss untersuchen, warum das in der Kunst so ist.
Ob sich darüber hinaus Möglichkeiten zu gemeinsamen Handeln ergeben, vermag ich nicht zu sagen. Aber wenn man die Probleme nicht anspricht, kann gar nichts passieren.
Hallo Stefan,
vielleicht muss man es nur umgekehrt ausdrücken: weil Kunst in der Gesellschaft keinen sehr hohen Stellenwert zu haben scheint (oder das nur bei insgesamt Wenigen der Fall ist), drückt dieser Umstand „Preise“ im weitesten Sinne schon automatisch. Wenn mehr Menschen Kunst als etwas für sie Wertvolles erleben würden (und zwar Otto Normalrezipienten, keine Händler, denn diese erleben Kunst als Handelsware ja schon jetzt als „wertvoll“, aber eben in rein materialistischem Sinne), würde dadurch ebenfalls automatisch die Bereitschaft zur Bezahlung steigen. (Dass es im Grunde nach wie vor schwierig bliebe, davon gehe ich trotzdem aus, weil Du bei aller Liebe niemals faire Vergleichbarkeit herstellen könntest; das erlaubte der Charakter der Sache schlicht nicht.) Aber ein guter Anfang wäre für mich – ich könnte es mir zumindest vorstellen -, Menschen Kunst und Kultur auf eine andere Art und Weise näher zu bringen, als es bisher der Fall ist. Und zwar von Kindesbeinen an.
Viele Grüße,
Sabine
Hallo Sabine,
das ist nachvollziehbar. Ich würde aber argumentieren, dass Kunst auch einen sehr hohen Stellenwert oder Prestige hat, und damit die Preise drückt, weil sie aufgrund des Prestiges den Künstlern nahelegt, es sei erstrebenswert für wenig Geld (um der persönlichen Befriedigung willen) zu arbeiten.
Die Kunst ist dahingehend besonders, dass sie beide Seiten hat. Man weiss nicht recht, wann welche Seite gilt.
Geld ist Kunst … eben ein echtes Kunstprodukt.