Notizen von der dritten Konversationskunst im Künstlerhaus FRISE.
Beiläufiges Gespräch zwischen Dieter (76) und Kurd (86) über das Alter. Dieter berichtet davon, wie hart es ihm ergangen war, als er merken musste, dass er als Künstler aufgrund seines Alters im Kunstbetrieb keine Anerkennung mehr erfahren würde. Zwischenzeitlich habe er aber Zweifel und Kümmernisse hinter sich lassen und eine neue Freiheit erleben können. Momentan beschäftige er sich mit Ordnung und Archivierung seines Werkes in digitaler Form. 5 CDs denke er hinterlassen zu können. Die nähmen in einer Bibliothek nicht viel Platz weg.
Wir sprechen über Natur und Bedingungen der Archive. Die materielle Hinfälligkeit jeglicher Form physischer Dokumente. Tilo gibt zu bedenken, die meisten Datenträger hielten kaum mehr als 5 Jahre. Und wie lange wird es entsprechende Lesegeräte geben?
Sinn der Archive
Schliesslich die Sinnhaftigkeit des Glaubens mit der Aufnahme in die Archive Bedeutung über unseren Tod hinaus erlangen zu können. Wer wird das später noch lesen oder betrachten? In einer Zeit, in der permanent alles dokumentiert und in die Cloud geladen wird. So fragt der Medienwissenschaftler Mark Fisher:
Denken wir wirklich, die nachfolgenden Generationen seien nicht zu sehr mit ihrer eigenen Archivierungen beschäftigt, als dass sie noch unsere Archive sichten könnten?
Was erwarten wir von den Archiven? Welche Hoffnung verbinden wir mit ihnen?
Geht es nicht um die versteckte Bitte nach Unsterblichkeit? Bedeutet die Aufnahme und der Fortbestand in den Archiven nach dem Ende der Metaphysik nicht die einzige Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tode? So gering die Chance auch sein mag.
Was wäre die Alternative? Schon Nietzsche warnte davor, die historische Betrachtung mache uns zu Zuschauern statt Handelnden des eigenen Lebens. Könnten wir ahistorisch leben?
Was noch wünschen?
Dass hinter all dem auch die Suche nach Anerkennung steckt, hatte Heidi schon zu Beginn des Gesprächs vermerkt und in eine bedeutsame Frage gekleidet:
Was kann man berechtigterweise für sich (noch) wünschen?
Wo bleibt das Wünschen privat, wo wird es politisch?
Müssen wir uns denn damit abfinden, dass alte Menschen (nicht nur alte Künstler) in unserer Gesellschaft keine Rolle mehr spielen? Müssen wir hinnehmen, dass der Kunstbetrieb keine Notiz von uns nimmt und wir unsere Hoffnung an ein paar CDs hängen? Könnten wir nicht eine andere Gesellschaft, eine andere Kunst wünschen?
Ich finde, die politische Dimension des Wünschbaren eröffnet eine ungeheuerliche Fragestellung. Ich werde ihr auch in meiner Radiosendung am kommenden Freitag nachgehen:
— Stefan Beck – das Seminar ==> Archiv und Wunsch
— Freitag, den 8.5. 2015 – 16 Uhr
Nächstes Treffen zur Konversationskunst am Samstag, den 6.6. 2015.