Abschied vom Haus der Eltern

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Selbst vor dem Haus meiner Eltern

Heute nachmittag gegen 14:20 habe ich das Haus meiner Eltern an die neuen Eigentümer übergeben. Damit endete ein Prozess, dessen absehbares Ende Anfang des Jahres mit einer ersten Sichtung begann und sich über Verkauf und längere Räumung zu diesem Tag des Abschieds hinzog.

Für mich verschwindet nicht nur ein Ort, über dessen Bedeutung ich nur vorläufig und ungenau Auskunft geben kann, sondern unwiderruflich ein ganzer Lebenszusammenhang, verschwommen Heimat genannt, – die Landschaft des Mittelrheins, in der ich gross geworden bin. Ich mag vielleicht nochmal zurückkehren, aber dann mit nicht mehr Berechtigung als die eines Gasts.

Das Haus, das ich heute übergeben habe, war das Haus meiner Eltern. Nicht mein Elternhaus. Denn ich habe dort nur kurze Zeit gelebt. Von meinem 17. bis 20. Lebensjahr. Später und bis zuletzt bin dort hin auf Besuch gekommen und hab in meinem Jugendzimmer geschlafen, das in seinen letzten Resten erst kürzlich entsorgt wurde. Aber meine Eltern haben dort fast 35 Jahre gewohnt. Es war ihr Haus und ihre Welt, an der ich mit mehr oder weniger Distanz meinen Anteil nahm.

Die Welt meiner Eltern ist mit diesem Haus nun fast gänzlich verschwunden. Es bleiben einige Möbel, Bücher und Erinnerungsgegenstände, die wir ins Lager geholt haben. Sie sind damit museal geworden.

Abschiede

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Ein letztes Mal am Rhein

Der Tag des Abschieds begann am Morgen mit dem Zug in Frankfurt, der mich ein vorerst letztes Mal an den Rhein brachte. Vor Aufregung gleich verpasst das kleine verlassene Stellwerk hinter Bingen, verpasst auch die Engstelle der Loreley. Blicke, das sind Augenblicke, und dann ist es vorbei. Ein kurzer Moment nur, der Anleger von Oberlahnstein, wo ich im Sommer 2005 mit Inge saß und dann nie wieder.

Rennen mit letzter Kraft nach dem Anschlusszug in Koblenz. Auch das nie wieder. Und schließlich, nach Übergabe des Hauses, am Bahnhof, im Zug Auf Wiedersehn sagen an diesen Ort des Elternhauses, an die sich anfolgenden Weinorte, ebenso den steil aufragenden Hammerstein, den ich meiner Mutter zum Kummer nie gemalt habe, und dann der Flecken Linz, mit dem sich der Kreis der Heimat beschließt.

Ab Köln dann das übliche Bahnchaos und nach langer Fahrt erschöpft in Hamburg angelangt.

[Auf der Fahrt nach Hamburg kam mir der Gedanke, dass ich gerne ein kleines Haus hätte, mit einem Garten drumherum, einen Holzofen und vielleicht auch eine Katze. Bislang habe ich dieses ‚Glück‘ für mich noch nicht finden können, aber es bestimmt mein Leben seitdem.]

  

2 Gedanken zu „Abschied vom Haus der Eltern

  1. Detlev

    Ich hatte im Frühjahr auch Wohnungsauflösung, weil meine Mutter endlich gestorben ist. Es hat lange gedauert und das war auch gut so. Ohne weiteres ist das wahrscheinlich vollkommen uninteressant. Und jetzt liegt hier vieles aus dieser Wohnung und diesen Leben und diffundiert ganz langsam in mein Leben hinein.

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    1. Stefan B. Adorno Beitragsautor

      diffundiert ganz langsam in mein Leben hinein

      Das gefällt mir gut. Ich habe einiges aus dem Haushalt meiner Mutter gleich eingemeindet, so Töpfe, Besteck und die Mikrowelle.

      Und ich denke manchmal an die Anzüge und Kaschmirpullover meines Vaters, die an die Flüchtlinge gegangen sind. Ob die auch den Begriff „diffundiert“ verwenden würden?

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