Ein Blind-Date

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Övelgönne. Blick Richtung Köhlfleet

Anfang der Woche war ich noch arg angefressen, wie man in Wien sagen würde, weil sich so gar keine Begleitung für meine sonntäglichen Spaziergänge finden lässt. Bis ich Dienstag in der Bücherhalle im Mercado war…

Normalerweise schenke ich dieser Wandtafel mit allgemeinen Angeboten, wie Blockflötenunterricht etc, kaum Beachtung, nur diesmal nahm ich mehr im Augenwinkel einen Zettel wahr, der von Spaziergängen sprach. Da suchte jemand „nette Menschen für Elb/Spaziergänge“ und Gespräche in einem kulturellen Kontext. Ei, dachte ich, genau, was ich suche. Man sollte eine SMS schicken, und genau das habe ich auch dann getan.

Tags drauf rief mich eine Frau an, die mich umgehend zu einem Probe-Spaziergang einlud. Für den heutigen Sonntag. Treffpunkt am Hafen Neumühlen. Das ist mir ja schon lange nicht mehr passiert. Quasi ein Blind-Date. Ich würde also eine vollkommen unbekannte Frau treffen.

Ein wenig aufgeregt war ich schon und kann jetzt sagen, dass das Treffen sehr positiv verlaufen ist. Verblüffenderweise stellte sich gleich zu Anfang heraus, dass wir eine gemeinsame Bekannte haben, was natürlich das Gespräch ungemein erleichterte. Ansonsten waren auch Schule und Familie Themen, die schön in der Mitte liegen und daher dem Austausch förderlich sind.

Was mir dabei immer wieder begegnet, ist, in welch unvorteilhaften Umständen Menschen aufwachsen. Meine Eltern hatten echte Macken. Meine Mutter zB hatte uns als Kinder mit ihrer Angst vor „den Russen“, und auch „den Hippies“ (wg. Drogen) schwer verunsichert. Später kamen noch die Terroristen dazu. Typisch Mitte der 1970er Jahre. RAF und so.

Auf der anderen Seite haben sie uns in einem gediegen bürgerlichen Umfeld aufwachsen lassen, das viel Wert auf Kunst und Kultur legte und entsprechende Angebote machte. Meine Eltern haben auch qualitativ hochwertige und langlebige Dinge geschätzt und überflüssigen Konsum abgelehnt. Mein Vater hielt nichts von Autos und fuhr jahrelang einen Audi 100, obwohl er sich genauso einen großen Mercedes oder BMW hätte leisten können. Ebenso wurde ein sprachlich differenzierter Umgang gepflegt und durch entsprechende Beispiele aus der Literatur unterlegt. Das hat meine Eltern nicht in allen Bereichen zu besseren Menschen gemacht, – sie hatten arge Schwächen -, mein Leben jedoch in dieser Hinsicht bereichert. Und es bekümmert mich, dass andere Menschen diese „Selbstverständlichkeiten“ in ihrem Elternhaus nie erlebt haben.

Ob ich darüber hinaus die Probe, der dieser Spaziergang galt, bestanden habe, wird sich zeigen.

  

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