Vielleicht sollte man allein schon den Ort dieser Ausstellung für den derzeitigen Zustand ihres Gegenstandes, der frühen und der gegenwärtigen Netzkunst nämlich, als symptomatisch begreifen. Den dritten oder vierten Hinterhof eines heruntergekommenen Fabrikareals im Berliner Wedding. An der Straße keinerlei Hinweis. Ich musste mich durchfragen, bis ich in einem dunklen Clubraum stand, in dem der Geruch kalten Zigarettenrauchs mit dem von durchdringendem Patchuli kämpfte. Ob hier die Panke-Galerie wäre, fragte ich die Dame am Tresen.
Sehr wohl, in einem hell erleuchteten, vom übrigen dämmerigen Clubdunkel abgetrennten Winkel. Hier findet sich die kürzlich angekündigte Ausstellung „berlin zentrum der netzkunst damals und heute„. Der leicht großspurige Titel mag mit einigen Abstrichen für den Zeitraum der frühen 1990er Jahre in etwa zutreffen, wenngleich man Zentrum hierbei nicht mit besonderer Üppigkeit gleichsetzen sollte. Diejenigen wenigen, die in der Ausstellung (und weitere in Panels) vertreten sind, machten damals wohl Netzkunst in Berlin aus, wobei man vielleicht noch Florian Zeyfang (Botschaft) und Ulf Schleth (The Thing Berlin) hinzuzählen und Cornelia Sollfrank, der Ehre halber, mehr nach Hamburg subtrahieren sollte. Im übrigen Deutschland gab es noch Ansätze in Köln, Düsseldorf und Frankfurt.
Bei historischer Medien- und Netzkunst stellt sich naturgemäß die Frage ihrer Präsentation, die die Kuratoren der Ausstellung in diesem Fall vorbildlich gelöst haben. Wenigstens zwei Projekte liefen auf damaliger Hardware. Zum einen, mehr wohl eine Art Proof of Concept, Thing Vienna auf einem schwachbrüstigen Macintosh LC, – wunderbar der alte Netscape 2.02 -, sowie auf einem Quadra 700, zu jener Zeit ein Traumgerät, das Projekt Computer Aided Curating von Eva Grubinger.
Der große Vorläufer heutiger sozialer Netzwerke, die Internationale Stadt Berlin (1995), war leider (so ich es recht verstehe) nur in Teilen zugänglich und zwar in ihrem Subbereich Clubnetz, ein schon wirklich skurriler Versuch, zu der Zeit in drei Berliner Clubs öffentliche Terminals zum Chatten anzubieten. Die Rekonstruktion dieser Chats sind über eine Android-App zugänglich.
Den zweiten Abschnitt der Ausstellung, die historische Netzkunst mit derzeitiger, aktueller Netzkunst zu konfrontieren, fand ich persönlich weniger zugänglich, gelungen und plausibel, vielleicht, weil ich eben dafür zu sehr ‚Oldschool‘-Netzkunst bin.
Letzendlich symbolisert dieser Ort im letzten Hinterhof sehr treffend alte und gegenwärtige Netzkunst, die auch in 25 Jahren nicht im allgemeinen Kunstbetrieb angekommen ist und nach wie vor in seinen Randlagen existiert. Gerade das macht die Ausstellung (bis zum 23.11.) so sehenswert.
Zum Verständnis vieler Objekte liegt in der Galerie ein kleines, erklärendes Booklet aus, das bedauerlicherweise nicht käuflich zu erwerben ist. Wer von außerhalb auf die Informationen zugreifen möchte, ist auf die Webseite zur Ausstellung angewiesen, die wohl vom Design her beiden Daseinsformen der Netzkunst genügen soll. Ihre Lesbarkeit bleibt aufgrund starker Kontraste leider dürftig.