Der Künstler als Indianer unserer Zeit

Notizen zum Thema Der Künstler als Indianer unserer Zeit

Zwei Seiten aus dem Notizbuch zum Thema Der Künstler als Indianer unserer Zeit.

Neulich kaufte ich mir ein kleines Trampolin und während ich so hopste, kam mir der Gedanke, dass der Künstler eigentlich dem Typ des Indianers gliche. Aus der Verklärung des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit versetzt.

Ich machte mir sogleich Notizen zu diesem Thema in meinem Arbeitsbuch, kam aber bisher nicht zu einer wirklichen Ausarbeitung.

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— der Künstler, wie der edle Wilde. Ein wenig tragisch. Auch ein ›Ritter von der traurigen Gestalt‹.

— wir bemitleiden ihn, aber mehr als Typus, nicht als Individuum. Als solches ist er uns eher unangenehm. Deswegen tun wir auch nichts, um seine Lage zu verbessern.

— der Ort des Künstler-Indianers ist das Reservat. Daher ist die ganze Kunst und Kultur von der Idee des Reservats, eines Schutzgebietes, durchdrungen. Ausstellungen sind Reservate. Museen und Sammlungen sind Reservate. Reservate und Konservate gehen ineinander über. Bewohner, Einrichtungen und Gegenstände des Reservats sind für sich nicht (über)lebensfähig. Müssen vom Rest der Welt getrennt bleiben. Sie werden durch milde Gaben erhalten.

— Kulturpolitik ist Reservatspolitik. Kulturpolitiker und Kuratoren sind Reservatsverwalter.

— unter dem Diktat des Kreativdiskurses können auch ganze Stadtteile in Reservate verwandelt werden (Kreuzberg ≠ Gillamoos).

— explizite Reservate. In der Architektur die Gartenstadt. Oder Suburbia (frühe Beispiele: Shaker Heights, Forrest Hills)

— explizite Reservate. In der Kunst: Worpswede, Monte Verità, Hellerau.

— der Künstler-Indianer (wie der edle Wilde) ist Projektionsfläche all unserer Wünsche, Ideale und Hoffnungen. Mit dieser Projektion überhöhen und erniedrigen wir ihn in gleicher Weise. Es gilt hier: alles für das Ideal.

— der Künstler-Indianer Ausdruck unseres eigenen innerkulturellen Exotismus. Als Sehnsucht nach dem per se anderen, fremdem. Auch wenn es auf der anderen Seite der Straße wohnt.

— Idee und Figur des Künstlerindianers Ausdruck einer Ethnologisierung der Kunst in zweifacher Hinsicht. Die Übernahme ethnologischer Konzepte (etwa Magie, Zauberei, Schamanismus). Und das echte Interesse an fremden Kulturen (Lothar Baumgarten, Hubert Fichte, Clémentine Deliss). Der Künstler-Indianer kann sich tatsächlich für echte Indianer interessieren.

— der Künstler-Indianer ein Produkt der Aufklärung. Hier der aufklärerisch-rational handelnde Mensch, da, als sein Gegenstück (Anti-Typus), der kindlich-verspielte Wilde/Naturmensch. Unverdorben etc.

— wenn Kant in seiner berühmten Definition den Begriff der Unmündigkeit aufbrachte, so gilt er insbesondere, und bis heute, auch für den Künstler. Da der bürgerlichen Arbeit enthoben, muss er wie ein Kind gefüttert werden. Gefördert.

  

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