Kunst als Medium oder Bingo?

Modern Western Art - a question

What do you think of Modern Western Art?

Die Tage sah ich einen Tweet des amerikanischen Kritikers Jerry Saltz, der bösartig die gegenwärtige Biennale von Venedig kommentierte. Als ein Kunst-Bingo, das eine Vielzahl an Floskeln und Klischees versammelte. (En passant gefiel mir dabei „Random Refugee Content“ gut.)

Der Tenor dieses Tweets, – die Gegenwartskunst, wie sie in Venedig präsentiert wird, ist hohl, flach und inhaltsleer.

Wer wollte dem widersprechen?

Die Diagnose ist sicherlich nicht neu. Bereits vor einiger Zeit hatte ich über die Auflösungserscheinungen in der Kunst geschrieben. Wir sollten daher überlegen, was uns diese Beschreibung über die Kunst erzählt und warum sie damit durchkommt.

Nach Robert Pfaller gibt es Objekte und Praktiken, die einem inhaltsleeren Funktionieren entsprechen. Gebetsmühlen, Fotokopiergeräte und Sportübertragungen im Fernsehen. Obwohl ohne Inhalt, sind sie keineswegs nutzlos.

These: die Kunst in ihrem jetzigen Zustand ist auch ein inhaltsleeres Funktionieren.

Könnte man sie anhand der Medienauffassung von Marshall McLuhan als „the medium is the message“ betrachten? Was würde es bedeuten, wenn wir Kunst wie ein Medium nach McLuhan betrachteten? Wenn wir von ihrem Inhalt (A free catalogue no one will read, — Saltz) absähen?

Und Inhalt meint dann sowohl die Beschaffenheit der Kunstwerke (Farben, Töne, Buchstaben) wie auch ihre Genres (Portrait, Landschaft, Roman, Lyrik. Musik scheint mir da schwieriger als die anderen, insofern nicht ganz klar ist, wovon sie handelt. Programmmusik ausgenommen.), wie auch die Absichten, – zu rühren, zu erfreuen, nachdenklich zu machen, aufzustacheln etc. Wenn wir dies alles ausließen, hätten wir das Medium.

An irgendeiner Stelle schrieb McLuhan, wenn man die Gesellschaft eines (fiktiven?) afrikanischen Staates drastisch ändern wollte, müsste man einfach nur Fernsehgeräte über seinem Staatsgebiet abwerfen.

Kunstabwurf

Könnten wir uns vorstellen, man würfe irgendwo Kunst ab? So, wie Bruno Latour eine Idee von Peter Sloterdijk aufgriff, der vorschlug, ein „aufblasbares Parlament“ über dem Irak (nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen) abzuwerfen, um den Besiegten die Demokratie nahezubringen.

Wie wäre es mit „aufblasbarer Kunst“? Instant-Kunst? Oder einem Care-Paket? Was müsste es enthalten? Basiselemente samt Gebrauchsanleitung zur Herstellung und Verbreitung moderner Kunst. Westlich-europäischer Kunst. Was macht sie aus? (Zwei Quellen: a) ein Versuch aus der eigenen Sicht heraus, Kunst eurozentristisch zu sehen b) ein Lexikoneintrag aus der Sicht der Kanadischen First Nations)

Man stelle sich Menschen vor, die keine Ahnung von (unserer) modernen Kunst hätten. Was müssten man ihnen lehren, auf dass sie wenigstens den Anschein erweckten, sie verstünden moderne Kunst? Könnte man ihnen ganz schnell ein Kunst-Surrogat beibringen? Die Antworten hätten vielleicht etwas pastoral-pflanzliches, als müsste man ein neues Anbaugebiet erschließen. Wo gedeiht die Kunst? Wo fühlt sie sich wohl? Eher in der Sonne oder im Schatten? Trocken oder feucht? Um im Bild zu bleiben, könnte man sagen, dass man den Acker bestellt hätte, aber nicht unbedingt wüsste, welche Pflanzen darauf wüchsen.

Welche Erfahrungen stünden uns dabei zur Verfügung? Sollten wir nach China schauen, wo eventuell zwei verschiedene Auffassungen von Kunst nebeneinander existieren, eine klassisch chinesische und eine modern westliche? Ließe sich das sauber trennen?

Was sollten wir noch bedenken, bevor die Kunst aus den Tropen zurückkehren kann?
 

Wie können wir Moderne (Westliche) Kunst als Medium beschreiben? Ein Versuch

1) sie ist autonom

2) sie ist kreativ

3) sie ist ästhetisch

Zu 1) Kunst genügt sich selbst und stellt sich selbst fest. Wenigstens bis etwa 1970. Danach post-autonome Tendenzen.

Zu 2) Gesetz des Neuen mitsamt der Orientierung an den Archiven. Also, sie ist museal.

Zu 3) Der schwierigste Punkt. Arthur C. Danto behauptet da, die Kunst orientiere sich an Texten und Manifesten. Man könnte auch sagen, sie sei theoretisch. Oder Gehlen sagt, kommentarbedürftig. Oder Luhmann, kommunikativ. Man könnte auch sagen, dass Kunstwerk ist Kunstwerk, weil wir es in einem bestimmten Kontext situieren.

Der Begriff ‚Kunstsystem‘ kann dieser Kontext sein oder noch weiter gefasst alles von 1-3.

Während Ausstellung und White Cube abgeleitete Beobachtungsbedingungen sind, die sich aus 1-3 ergeben.

  

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