Herrschaftsverhältnisse in der Kunst – eine erste Überlegung

Screenshot. Webseite der Kunstakademie Düsseldorf. Lehrveranstaltungen der Prof.in Dr. Nina Tessa Zahner. Wintersemester 2020/2021 - Herrschaftsverhältnisse in der Kunst.

Webseite der Kunstakademie Düsseldorf. Hervorhebungen von mir.

Gelegentlich einer Ausstellung in Berlin, die ich bald zu besuchen hoffe, stieß ich bei meinen vorbereitenden Recherchen auf die Liste der Lehrveranstaltungen der Soziologin Nina Tesser Zahner an der Kunstakademie Düsseldorf. Im Wintersemester 2020/21 hielt sie ein Seminar zum Thema ›Herrschaftsverhältnisse in der Kunst und im Kunstbetrieb‹. [1]

Ich denke, man darf annehmen, dass die dort angegebenen Begriffe als besondere Problemfelder im Kunstbetrieb in Bezug auf Herrschaftsverhältnisse verstanden werden wollen:

— Geschlecht
— Sexualität
— ethnische Zuschreibung
— soziale und geografische Herkunft

Gut und schön. Nur wie steht es um die Ökonomie?

Müsste nicht der Umstand erwähnt werden, dass die allermeisten Künstler ein sehr geringes, weit unter dem Durchschnitt liegendes Einkommen und auch noch lebenslang erzielen? Einige wenige aber ein extrem hohes Einkommen. Ist es nicht beachtlich, dass dafür auch ein griffiges Wort fehlt? Während sich die hier erwähnten vier Begriffe ohne weiteres unter ›Sexismus‹ und ›Rassismus‹ einordnen lassen.

Wären Künstler Arbeitnehmer, müsste man an ‚Ausbeutung‘ denken. Da sie aber in der Regel Unternehmer ihrer selbst (Soloselbständige) sind, nimmt man ihre ökonomische Sonderrolle schulterzuckend zur Kenntnis.

Benachteiligung infolge von Merkmalen und Einstellungen kommt in der Kunst sicherlich vor, wie sie auch in anderen Bereichen des Berufslebens vorkommt, es gibt aber ein Merkmal, das nahezu alle Künstler teilen, ihre Armut. Insbesondere in Bezug auf ihre Ausgangslage. Nach einer Studie in den USA erleiden Künstler, obwohl sie aus gut situierten Verhältnissen stammen, den größten Einkommensverlust (-35%) im Vergleich zu allen anderen Berufsgruppen. (Ein Teilaspekt ist die markante Überproduktion. Es gibt von allem zu viel Angebot und zu wenig Nachfrage.)

Wie ist das zu erklären? Welche ›Herrschaftsverhältnisse‹ sind da am Werk?

Und das Hauptproblem…

Schließlich, müsste nicht auch das eine Problem der Kunst zur Sprache kommen, ihre fehlende theoretische Begründung?

Sie ist das Grundübel. Wenn jeder nahezu alles behaupten kann, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen, dann ist in Bezug auf die ›Herrschaftsverhältnisse‹ auch nahezu alles möglich. Natürlich bildet sich Macht (über andere) nicht ad hoc aus, sondern ist wahrscheinlich als komplexer Vorgang der Aneignung und sukzessiven Bildung von Autorität (samt den damit verbundenen Abhängigkeiten) zu verstehen, an dessen Ende dann keinerlei Infragestellung mehr möglich ist und endlich wie ein Sakrileg erscheinen muss. In der Kunst hat sie sich in den letzten 50 Jahren vornehmlich am Typ des Kurators fixiert.

(Wenig beachtete Konsequenz des Begründungsdefizits ist auch die unklare Abgrenzung zu Laien und Amateuren, die immer wieder zu Konflikten führt. Wer darf sich mit Recht Künstler nennen? Wer gehört dazu, wer nicht? Kann Kunst ein Hobby sein? Dahinter steht natürlich immer die Frage nach der Verteilung der Mittel. Zuletzt hatten die Corona-Hilfen für Spannungen gesorgt, wie weit oder wie eng der Kreis der Anspruchsberechtigten zu ziehen sei.)

weitere Ausprägungen

Zu den abseitigeren Problemfeldern der Herrschaft gehören die Formate und das Alter. Neulich besuchte ich das Centre Pompidou in Paris, eine Sammlung neueren Datums, worin ich durch Säle voller Malerei schritt. Zwischendrin eine Skulptur und etwas Fotografie. Film, Audio, Medienkunst nur am Rande. So sehen in etwa alle Museen, von einigen Spezialformen abgesehen, aus. Neulich trat die Frage auf, wer eigentlich kulturelle Formate im Internet sammele? Marbach nicht und die DNB auch nicht. Von Netzkunst, für die vielleicht Museen zuständig wären, wollen wir erst gar nicht reden.

Benachteiligung in Form des Alters kommt nicht mehr so offen und direkt vor wie noch vor einigen Jahren. Kein Stipendium über 40, – solche Beschränkungen finden sich nicht mehr (oder in angelsächsischen Ländern?), immer wieder aber subtiler in der Betonung auf ›junger Kunst‹, ›junger Formate‹ oder dem Anspruch besonders Berufsanfänger zu fördern. Wird irgendwo parallel dazu die Förderung älterer Künstler propagiert?

 
Soweit einige knappe Bemerkungen. Bald mehr nach der Ausstellung in Berlin.

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[1] https://www.kunstakademie-duesseldorf.de/de/personen/1982-prof-in-dr-nina-tessa-zahner/2211-lehrveranstaltungen

  

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