Kürzlich nahm ich aus der Bücherkiste an der Uni einige ›Mittelweg 36‹ mit, worin ich in einem Aufsatz über Entnetzung einen Hinweis auf die amerikanische Künstlerin Lee Lozano fand, die Ende der 1960er Jahre programmatisch aus dem Kunstbetrieb ausschied.
Mittels Selbstanweisungen ermutigte sie sich, dem Kunstbetrieb fernzubleiben. Diese Notiz, vom 8.2. 1969, sprach mich besonders an:
GRADUALLY BUT DETERMINEDLY AVOID BEING PRESENT AT OFFICIAL OR PUBLIC „UPTOWN“ FUNCTIONS OR GATHERINGS RELATED TO THE „ART WORLD“ IN ORDER TO PURSUE INVESTIGATIONS OF TOTAL PERSONAL AND PUBLIC REVOLUTION. [Quelle]
Absehen von dem eher kryptischen Verweis auf eine Revolution (‚personal and public‘) entsprach ihre Einstellung genau meiner Erfahrung des sich Zurücknehmens aus dem Kunstbetrieb. Erstmals programmatisch formuliert 2007 in Warum die Kunst nicht ganz aufgeben? und 2009 in Abschied von der Kunst.
In Hamburg ging es dann ähnlich für mich weiter. Nach anfänglicher Neugierde blieb ich mehr und mehr selbst vorher noch positiv eingeschätzten Kunstereignissen fern. Ich ging irgendwann (so um 2017) nicht mehr zu 2025ev, ich ging nicht mehr zur Frise, ich ging nicht mehr zu Herrn Schocke. Seit wahrscheinlich Mitte 2018 ging ich Hamburg nirgendwo mehr hin. Ausnahme Warburghaus. Aber das zählte ich auch nicht zur Kunstszene.
Mit der Frise war es so. Dass die Ausstellungen dort mir nichts sagten (wenngleich sie nicht so schlimm wie an anderen Ort wie etwa Nachtspeicher oder Einstellungsraum waren), stellte sich schon relativ früh heraus. Ich ging nach wie vor zu den Eröffnungen, warf pro Forma einen Blick in den Ausstellungsraum, bevor ich dann an der Bar hängen blieb, wo es meist sehr schnuckelig zu ging. Oft verließ ich als letzter den Ort.
Irgendwann und graduell (wie bei Lozano) stellte sich bei mir aber ein Unbehagen an der Trennung in die offizielle Kunstdarbietung und den eher inoffiziellen Teil an der Bar ein. Letztlich, so musste ich mir sagen, standen die hinter und neben der Bar doch für die Kunst 10 Schritte weiter im Ausstellungsraum, was sich vor allem daran auch bemerkbar machte, dass sie in keiner Weise auf die von mir gelegentlich geäußerten Zweifel an der Kunst eingingen. (Nebenbei folgte auch auf einen Beitrag von mir im Frise-Jahrbuch keinerlei Reaktion.)
Es kam die Zeit, dass ich dachte, dass ich angenehme Gespräche in leicht alkoholisierter Umgebung genauso gut an anderem Ort haben könnte und dass damit kaum etwas für den Ort Frise, mit Ausnahme der verbilligten Getränkepreise, sprach. Graduell erodierte damit meine Neigung, den kurzen Weg ums Ecke zu nehmen, so dass an den entsprechenden Tagen just um 20 Uhr bei mir eine bleierne Müdigkeit auftrat, die mich nach leicht nutzloser Gegenwehr ins Bett zwang. Zu Anfang tröstete mich noch ein ›Dann nächstes Mal‹. Am nächsten Mal ein nächstes Mal. Ein nächstes Mal ein nächstes Mal.
Mit Corona brauchte ich dann auch kein schlechtes Gewissen zu haben.
GRADUALLY BUT DETERMINEDLY…
Seit ich zurück in Frankfurt bin, war ich beinahe nirgendwo mehr an Orten, die mit Kunst zu tun haben. Ich halte mich einfach davon fern.
AVOID
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Nebenbei: die Malerei von Lee Lozano wird jetzt von der Top-Galerie Hauser&Wirth angeboten. Ob das der Künstlerin recht war? Hätte sie die Bilder besser vernichtet.