Helga und die Archive

Blick mainaufwärts von der Main-Neckar-Brücke

Blick mainaufwärts von der Main-Neckar-Brücke

Ratlos, was mit dem Tag anfangen, bis ich eine SMS von meiner Bekannten Helga fand. Ich bekam eine Richtung.

Testaufnahme für Kodak Masking Film

Testaufnahme für Kodak Masking Film

Zuerst musste ich, trotz des Sonnenscheins, am Uni Campus Westend eine Aufgabe lösen. Kürzlich erhielt ich eine Box Kodak Pan Masking Film (4570), fast 50 Jahre alt. Leider fand sich nirgendwo im Netz ein Hinweis auf die Empfindlichkeit des Films. In einem Forum schlug man mir vor, ausgehend von 25 ISO eine Belichtungsreihe auszutesten. Ich versuchte es mit drei Stufen, 25, 12 und 6 ISO.

Ab nach Sachsenhausen

Anschließend radelte ich in einer Schleife, den Main im Gutleut über die Main-Neckar-Brücke querend, nach Sachsenhausen, wo ich Helga und ihren Freund traf. Es stellte sich heraus, dass wir uns beide gerade auf ähnliche Weise mit Archiven beschäftigen. Ich erzählte von der trüben Erfahrung neulich in Berlin und von dem Kollegen meines Lehrers Alsleben, der sein Werk auf 5 CDs zu hinterlassen gedachte.

Dabei ist der physische Umfang der Hinterlassenschaft nur ein Teil des Problems. Auch 5 CDs können zuviel sein, wenn niemand etwas mit ihrem Inhalt anfangen kann. Helga beschäftigt sich gerade damit, welche Kriterien aufzustellen wären, damit ein Künstler-Nachlass in öffentlichen Sammlungen Aufnahme fände. Wo will man die Grenze ziehen? Irrtümer kommen allenthalben vor. Meine Eltern hinterließen uns einige Druckgrafiken von Horst Janssen, Ernst Fuchs und Hundertwasser. In den 1970er Jahren waren die durchaus angesagt, heute interessieren sie kaum noch jemanden. „Gib es zu Ebei…“, riet mir ein Freund.

Ich dachte an Carl Vogel, ehemals Präsident der Kunsthochschule in Hamburg und Freund Horst Janssens. Die Tage las ich, dass er sich ein Museum für seine riesige Janssen-Sammlung in Hamburg gewünscht hatte. Dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung, obwohl Vogel sicherlich bestens vernetzt war.

Ebenso gibt es Künstler, die in ihrer Zeit wenig bekannt waren, heute aber neu bewertet und geschätzt werden. Das Urteil der Nachwelt ist unsicher und schwankend.

Sollte man daher alle sammeln? Jedem eine kleine Box, eine Zeitschachtel, anbieten? Auch das könnte schon in geringer Zeit die Lagerkapazitäten erschöpfen. Selbst die digitale Welt muss kein Ausweg sein. Wenn alle dabei sein können, entsteht bald Überangebot. Ich erinnerte an eine bekannte Künstler-Ranking-Seite. Vor mehr als 10 Jahren war ich noch etwa bei 36.000, heute heißt es großspurig und herabsetzend: „Top 1.000.000 (global)“!

Wir fanden keine Lösung, hatten uns aber auf der schattigen Seite des Cafés bestens beredet und erfreut.

Was bleibt?

Bei Boris Groys lesen wir:

Wohin mit dem ganzen kulturellen Müll? Wir sind heute in der Tat mit einer kultur-ökologischen Krise konfrontiert: Medien und Kulturindustrie produzieren einen Überfluß an kulturellen Artefakten, die durch die Macht der Natur und Zeit leider nicht mehr in genügender Masse zerstört werden. Auf die Frage: »Was bleibt?« gibt es nur noch eine Antwort: Es bleibt zu viel. So werden die Museen von heute Orte einer kultur-ökologischen Zensur: Ihre Funktion ist weniger, die zum Verschwinden verurteilten Artefakte der Vergangenheit zu retten, als vielmehr aus der Masse des sich anhäufenden kulturellen Mülls eine sinnvolle Auswahl zu treffen. (In Logik der Sammlung, S. 48. Hervorhebung von mir.)

 

Später entwickelte ich den Testfilm und kam auf etwa 25 ISO für den Kodak Masking Film. Testbild.

  

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