Gedanken 1 zum Künstleridealismus

Referat Künstleridealismus an der Kunsthochschule

Referat Künstleridealismus an der Kunsthochschule

Wie kommt der Künstleridealismus zustande? Welchen Anteil hat die Kunsthochschule daran?

Künstleridealismus vorläufig verstanden, als den Willen und die Fähigkeit eines Künstlers, Widrigkeiten seines Berufs-Lebens, die andere Menschen in die Flucht schlügen, über lange Zeit auszuhalten und sich mit allen Mitteln gegen sie zur Wehr zu setzen. Klassisches Beispiel für eine solche Widrigkeit ist die Unfähigkeit, aus seiner Kunst heraus ein Einkommen zu erzielen, das anderen Einkommen vergleichbar wäre. (Künstler erschließen sich meistens andere, externe Geldquellen, um weiterhin als Künstler existieren zu können.)

Apotheose des Künstleridealismus ist die Entschlossenheit, niemals aufgeben zu wollen.

Wie ging es auf der Kunsthochschule nicht?

Wenn ich an meine eigene Zeit auf der Kunsthochschule zurückdenke, Hamburg Mitte der 1980er Jahre, so gab es keine Lehrveranstaltungen zum Thema Künstleridealismus. Es gab auch niemanden, der direkt gesagt hätte, wir hätten uns als werdende Künstler in einer bestimmten Weise zu verhalten. Es wurde aber auch nicht direkt davor gewarnt oder sogar als abschreckendes Beispiel hingestellt. Natürlich lächelte man über Klischees à la Van Gogh (Kippenbergers ›zwei Ohren abschneiden, ist besser‹ machte gerade die Runde), niemand sagte aber genau, welche Haltung vom Künstler erwartet wurde. Die Lehrer sagten nicht: „Wer nicht von seiner Kunst leben kann, ist kein Künstler.“

Man hielt es eher so: wie der Student zu seinen Bildern (gerne intuitiv, spielerisch) finden sollte, so sollte er auch seinen persönlichen Lebensentwurf finden. (Das galt wohl als cool.) Dass dabei die Mehrzahl genau nicht von ihrer Kunst leben konnte, war dann irgendwie doof, aber kein Scheitern des Modells.

Gelegentlich verwies man auf die Universität, die auch nicht in allen Fällen auf einen konkreten Beruf ausbildete. „Was machen denn die Indologen?“, war eine beliebte Gegenfrage.

Oder doch? Es blieb diffus.

Ich nehme daher an, dass sich eine idealistische Einstellung ähnlich diffus verbreitete wie die Aversion gegen den Leistungsgedanken.

Beispiele werden wichtig gewesen sein. Man beobachtete ältere Semester, besuchte sie in ihren Ateliers oder Ausstellungen. Schaute, wie die zurecht kamen. Gelegentlich befragte man auch die Professoren über ihren Lebensweg, besonders hinsichtlich der Zeit zwischen Abschluss der Studiums und dem Erlangen der Professur. Da konnte man mitunter erfahren, dass nicht allen der Weg zum Professor vorgezeichnet war.

(Im Rückblick, aus zeitlicher Distanz lässt sich bemerken, dass Anfang der 1980er Jahre nicht alle Professoren aus einem soliden Standing im Kunstbetrieb kamen. Es gab zwar auch schon ‚Stars‘, – Graubner oder Rühm etwa -, andere, die teils in den 1960er und 1970er Jahren an die Hochschule gekommen waren, hatten noch einen lokalen Bezug oder eine spezielle Eignung im Hinsicht auf Pädagogik oder Fähigkeiten. Man darf ja nicht vergessen, dass in erst in den 1970er Jahren die ‚Techniken‘ endgültig von den Hochschulen vertrieben wurden. Zuvor galt es als selbstverständlich, dass ein Professor Radierung, Lithografie, Farbentheorie, Perspektive oder Akt unterrichtete. Das eröffnete die Chance aus genau einem solchen Erfahrungsraum einer Praxis dann an die Hochschule zu wechseln. Oder von der Hochschule zurück in die Praxis. Der Künstler-Künstler kam erst später und es lässt vielleicht schon vorläufig feststellen, dass mit ihm das Problem des Künstleridealismus erst an Fahrt aufnahm.)

Und danach?

Gegen Ende des Studium wird sicher die Frage ›Und was mache ich danach?‹ drängender geworden sein, wobei sich die im Vorteil befanden, die schon während des Studiums dazuverdienen mussten. Sie konnten auf diese Erfahrung aufbauen und in die Existenz als freier Künstler nach der Hochschule integrieren. Beliebt waren Arbeit bei der Post (Paketamt Altona!), Taxi fahren, sowie allgemeine handwerkliche Arbeiten (Wohnungen ausmalen), wie auch Tätigkeiten nahe der Kunst. Aufsicht oder Führungen im Museum oder Aushilfe in einer Galerie (Gallery Girl!). Den in USA oder England bekannten Job, einem arrivierteren Künstler zu assistieren, gab es bei uns fast gar nicht.

Der Künstleridealismus konnte dadurch als die natürliche Verlängerung der Studienerfahrung verstanden werden, die sowieso nur graduell in das Berufsleben überwechselte. Externe Arbeit sicherte Studium, externe Arbeit sicherte Künstlerexistenz. In gleicher Weise dürfte die soziale Herkunft eine Rolle gespielt haben. Nach meiner eigenen Erfahrung standen überproportional viele Kommilitonen zum ersten Mal einem Studium gegenüber. Insofern ihnen der Vergleich zu Eltern oder Geschwistern fehlte, verstärkte das Gefühl der Fremdheit die Bereitschaft, sich ‚irgendwie‘ durchschlagen zu müssen. Ein mögliches Scheitern wurde nicht im Kontext anderer Ausbildungserfahrungen gesehen, sondern absolut. Leicht paradox wirkte vielleicht dabei der Umstand, dass die Anforderungen der Kunsthochschule vielfach konkretes Scheitern vermieden. Es wäre möglich, dass dadurch die Angst vor dem Scheitern nur verstärkt wurde, so, wie dem Nichtschwimmer jedes Gewässer gefährlich tief wirkt.

In freier Wildbahn

Diese vorläufigen Bemerkungen zur Rolle der Kunsthochschule legen den Schluss nahe, dass der vehemente Künstleridealismus erst später, nach der Ausbildung, hervortritt. In Anbetracht der nachfolgenden Lebenszeit, schließt sich an das Studium eine sehr viel längere Zeit der Bewährung an. Eine Zeit, die sinnhaft gefüllt werden will, die Gefahr läuft sich zu verlieren, vom Weg abzukommen und vor allem ohne ein allgemein vergleichbares Ziel auskommen muss. Jeder erwartet Erfolg, aber nur wenigen gelingt er. Das muss erklärt werden und gerechtfertigt werden, je länger der Erfolg ausbleibt.

Hinzu kommt, dass nach dem Schutzraum Akademie in viel größerem Umfang der Vergleich mit anderen und ihren Biografien eintritt und mit der Zeit deutlich macht, dass das Künstlerdasein ein Sonderfall ist, der gerade in ökonomischen Aspekten deutlich von der Norm abweicht. Mir selbst war lange Zeit nicht bewusst, wie groß der Unterschied schon zu einem Durchschnittseinkommen wirklich ist. Bis ich nachrechnete. (Hier zeichnet sich die Nähe des Künstleridealismus zu einem Aberglauben ab: ›Ich weiß zwar irgendwie, dass mein Einkommen gering ist, aber ich will es nicht so genau wissen…‹) 

Die bekannte und ebenso verhasste Frage „Und, können Sie davon leben?“ versetzt den Künstler in einen zurückgestellten, der sich daraufhin mit einem immer stärker werdenden: „Nein, aber…“ zurechtfertigen sucht.

Der Künstleridealismus ist daher nicht nur Trotz, er ist auch produktiv, in dem er den Künstler mit einen ganz individuellen Nein-aber auszustatten sucht. Vermutlich macht genau das die Persistenz des Künstleridealismus aus.

Fortsetzung: Künstleridealismus 2

  

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