Erster Versuch, die Grundstruktur der Modernen Kunst zu skizzieren. Im Hinblick auf ihre Theorie, ihre Ökonomie und ihre Ethik. Die weitere Ausarbeitung folgt.
Aufgabe: die Grundstruktur der Modernen Kunst (seit 1800) entwickeln und darstellen. In ihrer sowohl kunsttheoretischen, wie auch kunstsoziologischen Dimension.
These: es sind drei Bereiche, die Moderne Kunst ausmachen, hervorheben und somit ihre Eigenart ausmachen. Erscheinungen der Modernen Kunst (Künstler, Kunstwerke, Institutionen) sind von ihnen maßgeblich bestimmt.
Es sind:
- Theorie
- Ökonomie
- Ethik
Die Untersuchung heißt daher (T)heorie-(Ö)konomie-(E)thik-Modell.
Zwei davon, Theorie und Ökonomie, sind wesentlich negativ markiert. Sie sind von einer charakteristischen Form des Defizits geprägt.
Theorie der Modernen Kunst
Moderne Kunst ist durch die Vorherrschaft theoretischer Annahmen gekennzeichnet. Diese Annahmen stehen über den konkreten Ausprägungen einzelner Werke (ihre sinnliche Form), den Handlungen der Künstler oder dem Agieren der Institutionen.
Paradigmatisch für diese Auffassung schrieb Arthur C. Danto 1964:
To see something as art requires something the eye cannot decry-an atmosphere of artistic theory, a knowledge of the history of art: an artworld. (The Artworld, The Journal of Philosophy , Oct. 15, 1964, S.580)
Art is the kind of thing that depends for its existence upon theories; without theories of art, black paint is just black paint and nothing more. (The Transfiguration of the Commonplace, S. 135)
Was Kunst ist, bestimmt die Theorie. (Oder: es kann nur Kunst sein, was von einer Theorie beglaubigt wird.)
Das Defizit
Trotz der Theorieabhängigkeit der modernen Kunst ist es bis jetzt keiner Theorie gelungen, eine schlüssige Definition der Kunst abzuliefern. Also, notwendige und hinreichende Gründe anzugeben, was, unter welchen Umständen einen Gegenstand oder ein Ereignis zu einem Kunstwerk macht und einen anderen Gegenstand nicht. (Klassifikation)
Ebenso fehlt eine Theorie, die präzise angeben könnte, welches Kunstwerk wie und warum in Auswahlprozessen einem anderen Kunstwerk vorzuziehen wäre. (Die Evaluation oder Qualitätsbestimmung).
Die von Weitz aufgestellte These (Weitz 1956), es könne generell kein Kriterium angegeben werden, wurde seitdem zwar vielfach zurückgewiesen. Es wurde aber auch nie erklärt, welche Eigenschaften moderner Kunst zur Hoffnung Anlass gäben, es könnte noch ein Kriterium gefunden werden.
Die Folgen
Negativ: Anomie, Willkür, Regellosigkeit. Gewalt. // Trotzdem werden die Folgen daraus, dass alles erlaubt ist, werden positiv angerechnet. Als Sonderrolle, als Sonderrecht der Kunst.
Ranking, Kuratorenwesen
These:
Wenn man #Kunst im Sinne einer Definition nicht zweifelsfrei feststellen kann und es existieren (im Sinne einer Anerkennung) trotzdem Gegenstände mit Kunststatus, dann gilt folgendes:
Kunst wird gesellschaftlich produziert.
Wenn #Kunst gesellschaftlich produziert wird, dann ist es Aufgabe einer #Kunstsoziologie herauszuarbeiten, wie sich die Gesellschaft auf Kunst verständigt und ihre Existenz feststellt. (fixiert)
Dickie hat 1973 die Institutionstheorie der Kunst eingeführt. Nach ihr bestimmen Institutionen des Kunstbetriebs, was als Kunst gilt oder nicht. Bis heute bleibt unklar, wie genau das geschieht. Nach welchen Regeln und Kriterien.
Es folgt aus der gesellschaftlichen Produktion der #Kunst, dass die Rolle des #Künstler|s als Urheber/Autor stark delegitimiert ist und allenfalls als Impulsgeber funktioniert.
Die Stellung der Künstler im Kunstsystem deckt sich mit diesem Befund. (TW 27.1. 23)
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Der Kunst werden entgegen ihrer theoretischen Dürftigkeit gewaltige Folgen zugetraut. Kunst leistet mehr als begriffliches Denken. => Adorno, Heidegger. Ausgangspunkt Schelling.
These: Kunst als Diskurs liegt vom Niveau her etwa auf dem von Homöopathie oder Anthroposophie. Sie wirken komplex und gehaltvoll, wenn man erst einmal ihre problematischen Prämissen akzeptiert hat.
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https://de.m.wikiversity.org/wiki/Ann%C3%A4herung_an_eine_Kunstdefinition
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»Kunst lebt heute nicht mehr in den Werken, sondern durch die Kommunikationen über die Produktionen, die Werke genannt werden.«
https://ask23.de/resource/ml_publikationen/kt92-12
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Lesen
— https://en.wikipedia.org/wiki/Theory_of_art
— https://plato.stanford.edu/entries/art-definition/
— https://estetikajournal.org/articles/10.33134/eeja.149
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Ökonomie der Modernen Kunst
Es fällt dabei auf:
a) Die meisten Künstler sind arm. Ein großer Teil, wahrscheinlich 90%, kann gar nicht von ihrer Kunst leben, sondern muss aus anderen Quellen das Leben als Künstler subventionieren.
b) Einstellung der Künstler und anderen Akteure im System reicht von wirtschaftsfremd bis wirtschaftsfeindlich
c) Enorme Ungleichverteilung der Einkommen
=> Pareto-Verteilung, Kurve
Überproduktion (mehr Künstler, mehr Kunstwerke, mehr Ausstellungen und Formate (Biennalen etc)
Aufgrund von (1)Theorie gibt es kaum formale Zugangsbeschränkungen. Jede kann sich Künstlerin nennen.
„Die Kulturmaschine bringt ganz generell eine strukturelle Asymmetrie zwischen einer extremen Überproduktion von Kulturformaten (und Informationen) und einer Knappheit der Aufmerksamkeit der Rezipienten hervor.“ Reckwitz, GDS, S.238
Das größte Problem ist der Umstand, dass 1000de von Künstler ein Leben lang ihre Kunst aus externen Quellen finanzieren, obwohl sie dabei in Regel keinen Erfolg haben. Wie ist das zu erklären?
Minimalkünstler = Ich meine solche, die mit einem Minimum an öffentlicher Aufmerksamkeit und Einkommen leben. Womit Einkommen auch nicht durch die Kunst erzielt wird, sondern regelmäßig aus anderen Quellen stammt.
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Alles wird vom Angebot her gedacht. Nachfrageorientierung gibt es kaum.
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Ausgeprägte Geschenkökonomie. Stipendien, Preise, Zuwendungen (Förderungen, Subventionen, Steuerbegünstigung), sowie Geld, das Künstler aus Nebenjobs in ihre Kunst leiten, aber auch Partner und Familie.
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Ethik, der Geist der Kunst
Kurzform: an Max Weber angelehnt gibt es einen Geist der Kunst, der erklärt, warum es gut ist, sich mit Kunst zu beschäftigen. Es erklärt zudem, warum die Nachteile der Kunst (insbesondere das Theoriedefizit und die aus der ökonomischen Sonderstellung der Kunst resultierende prekäre finanzielle Lage vieler Mitglieder) auszuhalten sind und letztlich dem Gesamtunternehmen Kunst zum Vorteil reichen. (Also gar keine Nachteile sind.)
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Taktiken des Verschleierns.
Das Negative wird ins Positive gewendet: Die große Freiheit: alles ist erlaubt!
Erfolglose #Künstler müssen sich eine Immunisierungsstrategie ausdenken: 1x gegenüber dem bürgerlichen Mainstream („Und, können Sie davon leben?“), 1x gegenüber dem #Kunstbetrieb selbst. („Bin doch nicht kommerziell.“) Wie machen sie das?
Das Sinnversprechen: wenn schon kein Geld, so doch ein sinnvolles Leben (Künstlerkritik)
Schärfer noch: Die Position, dass Kunst Arbeit sei und angemessen bezahlt werden sollte, wird systematisch entwertet und demoralisiert.
Geradezu klassisch: „Geld ist nicht alles“.
Als Beispiel für diese Ideologie ein Beitrag des Musikprofessors Moritz Eggert:
Es gibt unendlich viele Weisen, als Künstlerin oder als Künstler irgendwie zu überleben und es ist nicht die geringste Schande, andere Einnahmequellen zu suchen, solange man sich die Freiheit zum Komponieren bewahrt.
(Quelle)
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Geschichte der modernen Kunst als Problem
Neben den drei Kernelementen der modernen Kunst (Theorie, Ökonomie, Ethik) ist es wichtig, die Entwicklung der modernen Kunst unter den genannten Aspekten ins Auge zu fassen. Für die Theorie hat das Victor Burgin in „The End of Art Theory“ (1984) getan.
Eine kleine Skizze von Karel Teige wirft dabei folgendes Problem auf: die moderne Kunst, wie wir sie heute kennen, formierte sich im 18. Jahrhundert (und durchaus im Zuge der Aufklärung). Wesentliche Konzepte und Einrichtungen entstanden: Ästhetik, Kunstgeschichte, Kunstkritik und schließlich auch das Museum.
Anfang der 19. Jahrhunderts geriet die Kunst aber dann in Konflikt mit ihrer Zeit und entwickelte eine (fast störrische) Opposition zu ihr, die eigentlich bis heute anhält. Symptom ist die Romantik, die in Teilen Zuflucht zu einer fernen Vergangenheit suchte. Sayre & Löwy (Romantic Anticapitalism, 1984) haben diese Wendung herausgearbeitet, aber ihren eigentlichen Grund nicht genügend herausgearbeitet. Zwar mag die Romantische Bewegung von einem Antikapitalismus durchdrungen gewesen sein, doch die Frage dabei bleibt, warum die Kunst auf diesen Zug aufsprang. Warum wollte es ihr nicht gelingen, im Kapitalismus des 19. Jahrhunderts Fuß zu fassen? Warum ist Antikapitalismus immer noch in geradezu prominenter Weise immer noch ein Merkmal der Gegenwartskunst? (Man nehme nur als Beispiel die riesige Anzahl an Künstlern, die „den Markt“ ablehnen.)
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Weitere Informationen
— ein Video von mir auf Youtube, worin ich das TÖE-Modell vorstelle