Da ich mich momentan noch nicht in der Stimmung fühle, in Länge von meinem zurückliegenden Aufenthalt in Schweden zu berichten, fange ich mit einer leichteren Übung an, meiner Lektüre auf der Hütte.
Wie schon in den letzten Jahren fielen mir keine wirklich packenden Bücher ein. Daher der folgende Zwischenstand.
The Social Production of Art
Aus dem nicht gerade umfangreichen Korpus zur Kunstsoziologie nahm ich aus der Uni Bibliothek diesen Band der englischen Autorin Janet Wolff mit, der schon 1979 erschienen war, was sich besonders an der häufigen Verwendung der Wörter ›Marx‹ oder ›marxistisch‹ bemerkbar machte. Das mag in der damaligen Zeit einer Mode geschuldet sein und erhöhte m.E. den Wert des Buches nicht, allenfalls vielleicht, wo Wolff in der Erörterung des Konzeptes der ›Ideologie‹ in ihrer Zeit noch näher an den Quellen, – Lukács oder Althusser -, stand. Ergebnis: Kunst ist wohl ideologisch, aber man kann kaum sagen, wie. Mit kaum 200 Seiten Umfang konnte das Buch auch nur einen sehr groben Einblick in die umfänglichen Probleme der Kunstsoziologie geben und daher vielleicht als Einstieg verstanden werden.
Rückkehr nach Reims
Ein Buch, das mich beeindruckte, vielleicht, weil ich von meiner sozialen Herkunft auf genau der anderen Seite aufwuchs als Didier Eribon und in Erwähnung des Begriffes der Scham, die Eribon angesichts seiner Arbeitereltern empfand, eher daran denke, dass ich ungern preisgebe, wie privilegiert ich aufgewachsen bin.
Demnach erschien es mir logisch und nachvollziehbar, dass Eribon alles daransetzte, die schrittweise und vollkommene Entfernung von seinem Millieu als Aufstieg zu dokumentieren, bis er endlich verkünden konnte: Ziel erreicht. Professor der Soziologie. Ich bin einer von euch.
Ein Vorgang, der sowohl an Kafkas Verwandlung erinnerte, nur in entgegengesetzter Richtung, vom Ungeziefer zum Künstler, wie auch und stärker noch an seinen Bericht für eine Akademie, worin der Affe Rotpeter von seiner Menschwerdung erzählte. Das Thema hätte in diesem schmalen Band durchaus noch weitere Ausarbeitung verdient und fast proustsche Dimensionen annehmen können. Besonders den Erklärungen Eribons zum Rechtsruck der französischen Arbeiter seit den 1980er Jahren hätte ich mir noch mehr Substanz gewünscht. Denn auch bei uns sehen wir diese unheilvollen Entwicklungen.
Der Gesandte – Alexandre Kojèves europäische Missionen
Alexandre Kojève, nicht gänzlich unbekannt, aber auch nicht im Mainstream der Philosophie präsent, wird vor allem durch sein einflussreichen Hegel-Vorlesungen im Paris der 1930er Jahre ideengeschichtlich rezipiert. In ihnen entwickelte er Konzepte der Postmoderne, wie Ende der Geschichte oder Ende des Menschen, mit denen er ein große Zahl französischer Intellektueller seiner Zeit beeindruckte.
Dieses Merve-Buch ist allerdings kaum eine Einführung in das Denken Kojèves, sondern wirkte auf mich wie ein lieblos zusammengestellter Tagungsband aus thematisch wenig zusammenhängenden Beiträgen. Ich blätterte lustlos darin herum, las mal hier und mal dort und legte das Buch schließlich zur Seite. Schade. Schon letztes Jahr hatte ich Pech mit Merve. Ich sollte pausieren.
The Birds and other stories
Kurz vor der Abreise nach Schweden hörte ich eine Besprechung im Radio und entschloss mich, einen Versuch mit Daphne du Maurier zu wagen. Gleich die erste Geschichte, The Birds, die die Vorlage für Hitchcocks Verfilmung abgab, verbreitete Spannung bis in die letzten Ecken und Winkel. Suspense! Beinahe hätte ich schon meine Hütte verbarrikadiert. Zum Glück verhielten sich die Vögel rund herum im Wald lieb und zuvorkommend. Und am nächsten Morgen schien, wie in der Erzählung, … die Sonne. Leider kam ich bisher nicht zu einer Fortsetzung der Lektüre. Das wird noch…
Ich hatte mir auch dieses Jahr Mühe gegeben, aber wenig Begeisterung verspürt. In Schweden noch bemerkte ich den Film ›Oppenheimer‹, der auf der Biografie des Physikers von Kai Bird und Martin J. Sherwin beruhte. Das wäre das richtige Buch für die Hütte gewesen. Ich bestellte es mir mit Kribbeln in den Fingern gleich nach meiner Rückkehr.