Auf meiner heutigen Tour durchs Gallus, an Fronleichnam, kam ich endlich an der Messe aus, bevor ich weiter nach Bockenheim fuhr. Dabei fiel mir, vor den dramatischen Wolkenhimmel gesetzt, der Messeturm als Sinnbild auf.
Im Verlauf der 1980er Jahre kam es in Frankfurt zu einem Modernisierungsschub. Eine dritte Moderne nach dem Neuen Frankfurt der 1920er Jahre und dem Frankfurt der Frankfurter Schule, inklusive der 68er Bewegung, die Zeit der 1950er bis 1970er Jahre.
In kurzer Zeit entstanden nach 1980 das Museumsufer, Schirn, MMK, Alte Oper, Mousonturm, Institut für neue Medien, Portikus, die Kunstmesse Artfrankfurt und weitere, die man als Kultureinrichtungen allesamt unter die von Frederic Jameson diagnostizierte „Cultural Logic of Late Capitalism“ fassen könnte. In den 1980er Jahren schloss Frankfurt zur Postmoderne auf, verkörperte sie vor dem Hintergrund der steig anwachsenden Skyline auf eine eigene Weise, so dass dieses dritte Frankfurt innerhalb der Konkurrenz der Städte, die man damals wahrzunehmen begann, national und international Aufmerksamkeit und Kontur gewann. Der Messeturm, der zeitgleich entstand, verkörperte diesen Wandel. Seine Vertikalität als Ausrufezeichen.
Das bis dahin leicht angestaubte, weithin biedere Image Frankfurts als Bankenstadt samt Apfelweingemütlichkeit, elektrisierte plötzlich, entwickelte Anziehungskraft, so dass eine Ansiedelung am Main möglich erschien. So erging es uns in Wien, auch mir. Statt Hamburg oder Berlin, doch Frankfurt. Als Künstler. Das hätte man nicht gedacht.
Umso größer dann die Enttäuschung als die Dynamik der Entwicklung keine Fortsetzung fand. Was ist seitdem geschehen? 1991 wurde als letzter Baustein noch das MMK eröffnet, aber dann trat Stillstand ein. Mit Ausnahme der sogenannten „Neuen Altstadt“ hat Frankfurt in den letzten 30 Jahren kein größeres Projekt mehr angefasst, das sowohl die Stadtbevölkerung wie auch die Welt drumherum gebannt hätte. Eine bewegenden Idee? Ist keine zu bemerken gewesen. Die Wolkenkratzer haben sich weiter ausgebreitet, inklusive EZB im Ostend, ja, aber sie stehen für nichts. Nichts, was eine Identifikation erlaubte, außer für jene, die zufällig darin arbeiten.
Der Aufschwung der 1980er Jahre war sicherlich notwendig gewesen. Er setzte sich nicht fort. Denn er war wahrscheinlich dem damaligen Momentum der Postmoderne geschuldet, was sich seitdem auch nicht mehr wiederholt hat. Wir leben immer noch in ihrem Schatten.
Währenddessen gewann in den 1990er Jahren das wiedervereinigte Berlin an Attraktivität, überholte Frankfurt gerade in kulturellen Belangen, mit denen die Stadt am Main zuvor gepunktet hatte. Um 1996 gingen die ersten meiner Bekannten und Freunde aus der Kunst- und Kulturszene von Frankfurt nach Berlin. Und um 2000 waren fast alle dort. Es hatte kaum 10 Jahre gedauert, da war das neue Frankfurt schon wieder passé. Im Rückblick eine sehr kurze Zeit.
Nebenher sind auch etliche Projekte verschwunden, die damals Strahlkraft hatten. Das Theater am Turm (TAT), das Forsythe-Ballett, das Volksbildungsheim am Eschenheimer Turm, wie auch, fast zuerst (1994), das mir verbundene Institut für neue Medien. Ebenso fanden die Offspaces der 1990er Jahre keinerlei Resonanz. Sie sind bis auf wenige wieder verschwunden.
Der Messeturm dagegen steht noch. Die Kunstzeitschrift Wolkenkratzer stellte ihr Erscheinen schon 1989 ein.