Schon vor einigen Wochen (genauer am 4. September) kam mir der Gedanke, für ein paar Tage nach Paris zu fahren. Eine Auszeit aus dem trüben Alltag, vor dem nächsten Besuch bei der Mutter nehmen. Eigentlich hätte mir London mehr gelegen, doch neuerdings verlangte das einen Reisepass. Und Paris liegt, kaum greiflich, nur 4 Stunden von Frankfurt entfernt. Wie Berlin, doch in der Vorstellung unendlich weiter weg.
Hier kommt mein vorerst knappes Reisetagebuch:
Mittwoch, 19.10.
Hinreise mit der Bahn, die sich wieder kleine Späße erlaubte. Dafür nette Französin im Zug kennengelernt, doch unsere Wege trennten sich bald wieder. 18:20 Ankunft Gare de L’Est. Fremde Welt, ich war bestimmt 30 Jahre nicht mehr in Paris gewesen. Zu Fuß durch Seitenstraßen zum Hotel nahe Pigalle (9. Arrt.), Zimmer charmant im 6. Stock über den Dächern. Gleich rauf den Montmartre, zu Sacre-Cœur, Blick über Paris. Toll. Erster Rundgang durchs Viertel Staune, was da alles an netten Läden gibt.
Donnerstag, 20.10.
Vom Hotel in Richtung Oper gelaufen. Entdeckte durch Zufall die Dachterrasse von Lafayette. Super Aussicht. Das Kaufhaus selbst nicht so mein Fall. Nicht weit der Boulevard Haussmann 102 und der Rest ist Geschichte. Von hier aus mit der Metro zum Eiffelturm, Pflichttermin.
Kurzes Stück nur bis zum Kriegsmuseum. Als Kind, meine ich, stand da ein deutscher Panzer. Der ist vielleicht längst weg oder an anderer Stelle abgestellt. Zwischenzeitlich kam die Sonne heraus und ließ mich daran zweifeln, ins Museum (Orsay) zu gehen. Beschloss, in Richtung Saint-Germain des Prés zu laufen, wie mir meine Kräfte erlauben sollten.
Auf der Suche nach einer Toilette kam ich bei Bon Marché vorbei. Gefiel mir besser als Lafayette, besonders die Lebensmittelabteilung. Fand da auch ‚meinen‘ Tee von Fortnum, doppelt so teuer wie in London, aber immerhin. Beglückt. Bis Rue du Bac gelaufen und dort in die Metro, die bis Pigalle fuhr.
Freitag, 21.10.
Ausflug aufs Land. Morgens noch Regen. Am Gare du Nord gab ich einem Mann 10€, der mir am Ticketautomaten half, das war aber viel zu viel. Mit dem Vorortzug in 40min nach Le Plessis-Belleville. Vor dort zu Fuß über die Landstraße nach Ermenonville. Auf der Karte sah das harmlos aus, in Wirklichkeit brauste dort alle 1-2 Minuten ein Konvoi von Sattelschleppern vorbei, die mich in den Randstreifen zwangen. Kaum Platz. Dieses Verkehrsaufkommen hatte vielleicht mit dem nahen Flughafen Charles de Gaulle zu tun.
Nach einem Kreisel wurde es dann ruhiger. Ermenonville, ein beschauliches Dorf, an dessen Rand das Schloß und der Park Jean-Jacques-Rousseau lagen. Zum Glück geöffnet. Zentrum des Parks ein künstlicher See, an dessen Ende die Toteninsel mit dem Kenotaph von Rousseau lag. Heute in in prächtigen leuchtenden Herbstfarben.
Einmal um den See herum und wieder zurück nach Le Plessis-Belleville, wieder entlang der stark befahrenen Landstraße. Dort verpasste ich den Zug nach Paris. (Die Fahrpläne waren trotz App sehr schwer zu verstehen.) Entschloss mich auf der Gegenstrecke bis zum nächsten größeren Ort, Crépy-en-Valois, zu fahren und von dort zurück. Gleich kam der Schaffner. Zum Glück konnte ich ihm mein Anliegen verständlich machen. Eine Stunde Aufenthalt. Leider keinen Kaffee. 18:30 wieder am Gare du Nord. Auf dem Weg zum Hotel kam ich an einem Straßenmarkt (Av. Trudaine) vorbei. Umwerfend, was sie dort alles anboten.
Samstag, 22.10.
Vom Hotel aus in die Innenstadt. Erste Passagen besucht. Passage Verdeau, Passage Jouffroy, Passage des Panoramas. Dann Galerie Vivienne und Galerie Colbert. Durch die winzige Passage des Deux-Pavillons in den Jardin du Palais Royal. Großartig, dort in der Sonne am Wasserbasin zu sitzen. Wir haben Sommer, doch ohne die Hitze.
Weiter Passage du Grand-Cerf und Passage Bourg-l’Abbé, sowie Passage de l’Ancre. Kam sodann ans Centre Pompidou. Nach vorsichtigem Zögern entschloss ich mich doch zu einem Besuch. Der Andrang war nicht allzugroß. Gewaltig die Eingangshalle, die stark an einen Flughafen erinnerte. Mit Absicht natürlich. Ich war dennoch irritiert. Ständige Sammlung im 5. Stock mit fantastischem Blick über Paris. Die Kunst gefiel mir nicht besonders, zu sehr ein geläufiges A-Z der Moderne bis zur Gegenwart. Solide Sachen, kaum wirkliche Highlights. Otto Dix ›Portrait der Sylvia von Harden‹ entweder ausgeliehen oder im Depot. Ein kleines Highlight dennoch: John Giorno. Poetry. Beeindruckende Plattencover.
Anschließend einen Block weiter zu Les Halles. Gleiches Prinzip wie Centre Pompidou, nur für die Mittel- und Unterschicht. Alles war käuflich und in Tüten abpackbar. Erstand dort das Parfum für meine Mutter. Froh, aus dem Gelände rauszukommen.
Zuletzt noch am Hôtel de Ville einen Blick auf die Seine geworfen. Metro zurück nach Pigalle. Dort herrschte Aufmarsch zum Montmartre. Im Supermarkt Kids, die Alkohol abschleppten. Samstagabend.
Sonntag, 23.10.
Vom Gare du Nord mit der Vorortbahn nach Saint-Denis. Keine 10min und schon eine ganz andere Welt. Das Stadtzentrum von einem brutalistischen Einkaufszentrum mit Ladenpassagen und die Straße überspannenden Hochebenen besetzt. Vielleicht aus den 1970ern oder frühen 1980ern. Krass. Nebenan noch ein altertümliches Rathaus, samt Rest an Parkanlagen. Nahm einen Kaffee und futterte das Frühstückscroissant aus dem Hotel.
Mit der U-Bahn in einem weiten Bogen zur Nationalbibliothek, die in einem riesigen Areal an der Seine lag. Beim Anstehen wunderte ich mich über die vielen jungen Leute mit mir in der Schlange. War Proust wirklich so populär unter ihnen? Später, als ich als einziger an der Kasse stand, merkte ich, dass es Studenten waren, die offensichtlich das reguläre Angebot der Bibliothek nutzen wollten.
Proust Ausstellung zu seinem 100. Todestag. Wie schon im Centre Pompidou erschien mir auch hier Darbietung des Materials eher betulich, konservativ. Schön einmal, die monströsen Schriftrollen des Originalmanuskriptes von »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«, sowie die Korrekturfahnen, an die Proust immer neue Zettel mit Anmerkungen geklebt hatte, zu sehen. Mehr fand ich aber nicht. Zum Ankauf des Katalogs musste ich mich schon überwinden.
Auf dem Rückweg kam ich am Ende des Parc de Bercy an einer Ladenstraße unter freiem Himmel vorbei, Cour Saint-Émilion. Sehr nett dort für eine Stärkung eingekehrt.
Dann, bei erneut einsetzendem Sonnenschein, der die grauen Wolken des Nachmittags vertrieb, ein Zwischenstop an der Bastille. Abendstimmung am Kanal.
Montag, 24.10.
Konnte das Désert de Retz leider nicht besuchen, hatte mich in den Öffnungszeiten vertan. Nur Samstags! Dafür dann weitere Passagen besucht. Passage de Choiseul, großartig. Schöne Läden für Büroartikel und Künstlerbedarf. Wie die dufteten!
Dann in Richtung Les Halles, wo es einige Läden für Küchenbedarf geben sollte. Leider hatte ich mit meinem Kupfertopf keinen Erfolg, selbst beim absoluten Spezialisten, E. Dehillerin, nicht.
Zwischendurch Wein gekauft und ins Hotel gebracht. Von dort zum Parc Monceau. Kleine Kaffeepause dort. Dann mit der Metro nach Saint-Germain des Prés. Gleich hinter dem Café de Flore ein größerer Buchladen mit Kunstabteilung. Mehrere ansprechende Bücher über Proust entdeckt, aber ich hielt mich zurück. Ließ mich so treiben, kam bei Saint-Sulpice vorbei. Pause. Durch die Rue de Grenelle (voller kleiner Läden) zur Rue du Bac. Dort Metro zum Hotel. Nach dem Abendessen ein letzter Rundgang durchs Viertel.
Dienstag, 25.10.
Abreisetag. Schnell noch beim Bäcker um die Ecke ein Brioche gekauft. Dann in den Supermarkt für Käse und Butter. Mit dem Koffer über den Boulevard bis Barbès – Rochechouart gerollt. Das war nicht so weit. Zwei Stationen mit der Metro bis zum Gare de l’Est. Der Zug stand schon bereit. Abfahrt um 11:00 und dann in einem Rutsch in Windeseile bis Straßburg. Das ging rasant. 15:00 schon in Frankfurt. Ich hatte fast Jetlag.
Schöner Reisebericht. Die Fotos sind klasse, besonders „Paris in der Abenddämmerung“! (Ich müsste wirklich auch mal hin…)
Danke Dir, Sabine. Das “Paris in der Abenddämmerung” war auch gleich mein erstes Bild von Paris. Ich bin sofort nach dem Einchecken im Hotel zum Montmarte hochgelaufen. Das nächste Mal werde ich genau auf der anderen Seite logieren und dann zum Montmarte schauen.