Welche Haltung gegenüber Kunst ist angebracht und angemessen?
Ich meine es – stichpunktartig – so:
Man kann sich schon für Kunst interessieren und mit Kunst beschäftigen. Aber so, als wäre sie die magische Praxis eines fremden Volksstammes. Dessen Regenzauber. – – – Kunst als erweiterte Käferkunde.
Der Zugang zu ihr muss von Skepsis und Distanz geprägt sein. [1]
Der Ethnologe Fritz Kramer dachte einmal an, einem Stamm im Sudan eine deutsche Kunsthochschule zu erklären. Leider ist es nicht dazu gekommen.
Aber das wäre ein möglicher Ansatz gewesen. (Im Sinne einer symmetrischen Anthropologie Latours.)
Nur mit maximaler Fremdheit [2] wäre es vorstellbar:
„Aha, das nennen sie also eine ‚Ausstellung‘?“
„Und so etwas ist für sie ein ‚Kunstwerk‘?“
„Und wenn sie das anschauen, haben sie ein gutes Gefühl? Das macht das mit ihnen?“
(Diese nur kurz angerissenen Beispiele sollen darauf hinweisen, dass sowohl die Ethnografie wie auch die Psychoanalyse Werkzeuge bereitstellen, Kunst mit der nötigen Distanz zu begegnen.)
Zudem scheint es mir zwingend geboten zu sein, genealogisch vorzugehen. Einmal auf allgemeiner Ebene (Wie ist es zur Kunst gekommen? [3]), wie auch auf individueller, persönlicher Ebene (Wie bin ich Künstler geworden?)
Ansonsten … AVOID …
Anmerkungen
[1] Es gehört zur Ideologie der Kunst, einen falschen Schein der Unmittelbarkeit und Natürlichkeit vorzugeben.
a) Darunter fällt auch die Unterstellung, ästhetische Empfindungen seien ‚einfach so‘, ohne Vorwissen, gegeben. Und ästhetisch meint sinnlich. b) Sowie die Vorstellung, der primäre Zugang zur Kunst wäre ästhetisch.
[2] Fremder in und gegenüber der Kunst sein. Wie wäre das möglich? Einen Hinweis lieferte James Baldwin in seinem Essay »Fremder in Dorf« (1953):
Denn dieses Dorf, selbst wenn es noch unvergleichlich abgeschiedener und unglaublich primitiver wäre, ist der Westen, ein Westen, dem ich auf seltsame Weise aufgepfropft wurde. Unter dem Gesichtspunkt der Macht können diese Leute nirgendwo auf der Welt Fremde sein; sie haben die moderne Welt letztendlich geschaffen, selbst wenn sie sich dessen gar nicht bewusst sind. Auch die Ungebildetsten unter ihnen haben auf eine Art, die mir verwehrt ist, eine Beziehung zu Dante, Shakespeare, Michelangelo, Aischylos, da Vinci, Rembrandt und Racine; die Kathedrale von Chartres bedeutet ihnen etwas, was sie mir nicht bedeuten kann, so wie es sicher auch das Empire State Building tun würde, falls jemand von hier es je zu Gesicht bekäme.
[3] siehe dazu Shiner, Larry E., The invention of art : a cultural history, Chicago, Ill. [u.a.] 2001.